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Die Geschichte des Ufers von Gerd „Gips Lawitzky
Die ersten Kugeln 1982
Umbau 1986/87
Fertigstellung 1988
Großes Pfingstturnier 1990
Zwischen Erntedank und Ostern kamen an klaren Tagen die Anrufe meist rund zwei Stunden bzw. zwei Spiele vor Sonnenuntergang: "Wir brauchen dringend einen Vierten!"
Zehn Jahre später kamen selbst im Frühjahr und im Spätherbst so viele Leute auf den Platz, dass wir Balken legen mussten, um allen Platz zu bieten.
Dafür liegt am Paul-Lincke-Ufer Ecke Forster Straße jetzt eines der schönsten und beliebtesten Boulodromes der Hauptstadt, wenn nicht gar...
Und Ende März ward's selbst auf den Zuschauer-Parkbänken schon wieder so eng, dass Platzhalter zum Pissengehen ausgelegt wurden...
Wohl möglich, dass bald Sitz- und Liegestühle vermietet werden wie im Hyde Park, falls an wärmeren Tagen auch der Getränkeservice immer klappt. Denn schöner und erquicklicher als Entenfüttern ist es allemal, den Kreuzberger Cracks am Landwehrkanal beim Legen und Schießen zuzuschauen oder gar mitzumischen.
Zumal hier keine Abgase die Nase zwicken wie an anderen schönen Spielflächen, da die ehemalige Straße eine reine Fußgängerzone ist. Und wer von allzu viel Frischluft oder Sport Hunger bekommt, der kann sich im benachbarten "Salatgarten" auch eine Pizza zum Mitnehmen bestellen.
Dabei hatte alles so bescheiden angefangen: Hinter dem damaligen Spielhaus "Pauli" nebenan, wo jetzt Gras und Wasser das Boule spielen verunmöglichen, trafen sich einige unentwegte Kreuzberger, die Martin Teufel zusammengetrommelt hatte, um nicht jeden Tag zum Spielen an die "Kastanie" in Charlottenburg oder in den "Club de Boulistes" nach Tegel fahren zu müssen.
Das Gelände war wild, alles andere als eben, und an manchen Stellen musste man schon seine geostrategischen Überlegungen und sein Gefühl für die Schwerkraft mit einfließen lassen, um eine Kugel auch nur in die Nähe der Sau zu bekommen. Aber es war zumindest terrain naturel, ein im Kiez seltenes ungepflastertes Gelände, und um so mehr Spaß machte es auch, wenn es gelang..
Als das Petanque laufen lernte
Bald waren an sonnigen Tagen weit über 20 Nasen zugange, Zugänge gab's auch aus anderen Bezirken, selbst Charlottenburger Lokalpatrioten und Tegeler Franzosen gaben sich gerne die Ehre, die Komplikationen unseres Terrains und den Charme des genius loci zu erkunden, und selbst prominente Wessis wie Klaus Mohr oder Thomas Hörschgens wollten auf der Durchreise hier ihr Genie bekunden
Als dann auch noch der Hausmeister des Kinderspielhauses "Pauli" uns ehrenhalber den Schlüssel zu seinem Getränkekühlfach übergab, mit der Bitte, für jede Cola und jedes Bier eine Mark hinzulegen, haperte es schließlich an nichts mehr. Wir waren derart überglücklich und wurden derart übermütig, dass wir gar die ersten Kreuzberger Turniere organisierten.
Mittlerweile gehören die ja zum bundesdeutschen Standardrepertoire.
Aber bei meinem ersten organisierten Mixte-Turnier auf Kreuzberger Boden musste sogar noch die Frage öffentlich diskutiert werden, ob drei Frauen als Mixte gelten könnten, da sie ja die damals noch als Handicap geltende Regelung der Geschlechtermischung gar dreifach erfüllten: Also seien drei Frauen ein Mixte!
Na gut, im französischen Bouleclub in Tegel wurden bei einem Mixte-Turnier damals auch ein Franzose und ein deutscher Mann akzeptiert, weil das ja auch ein Handicap darstellte wie eine französische Frau... In einem solchen frauenfeindlichen Klima muss man eine reine Frauentriplette ja als Mixte akzeptieren, wo sie das Stigma eines Handicaps ja selbst propagiert.. Ansonsten gab es aber auch Gutes zu vermelden aus dieser Zeit. So das erste (vom "Salatgarten") gesponsorte Spanferkel, das Hajo Frank im Boden des Terrains in einer Glut röstete und zur Turniermittagspause gratis verteilte. Wobei natürlich anzumerken ist, dass Deutsche ansonsten Mittagspausen nicht so liebten, geschweige denn so streng und völlend einhalten wollten wie die Franzosen, sondern immer gleich weiterspielen wollten. Aber sie lernten...
Und dann kam die Zeit der großen Pläne: Der ganze Platz sollte umgestaltet werden und begrünt (ein Gift-Wort für jeden aufrechten Boulespieler), das aber mit Mitbestimmung aus dem Kiez. Und so ging Erik Hemmer jede Woche in die Kiezversammlungen und brachte dort vor, dass, wenn schon der Platz unnötig unbespielbar bemacht würde, dann zumindest die Straße davor, die ja verkehrsberuhigt umgebaut werden sollte, wenigstens ein terrain naturel erhalten sollte.
Das hörten die zuständigen Architekten wohl, und beim Richtfest für das neue "Pauli"-Gelände und das fertige Terrain am Paul-Lincke-Ufer entschuldigten sie sich noch bei uns dafür, dass das terrain naturell leider statt der geplanten 1% nun 1,5% vom Ufer weg abfiele.
Nun, uns gefiel es! Man musste beim Legen zwar etwas mehr gen Ufer spielen, aber daran gewöhnte man sich ja schnell. Und daran gewöhnte man auch schnell die Anfänger in seiner Mannschaft: "Du Arsch! Mehr nach oben, hab' ich dir gesagt!!"
Als dann selbst jegliche Anfänger das neue Terrain im Griff hatten und bald jede Kugel an die Sau oder wahlweise als devant legten, waren es Profis wie der Deutsche Meister René Fitsche bald leid: Wozu hatten sie ständig hohe Porteés mit wahlweise Rechts- oder Linksdrall geübt, wenn Hinz und Kunz nun ständig schießbedürftige Kugeln dahinrollten?
Also bestellten Fitsche und Co. einen LKW mit grobem Kies, und seither sind die ersten beiden Bahnen nichts mehr für einfache Leger mit grobmotorischen Gefällekenntnissen. Dafür hassen sie nun einige, aber dafür findet sich immer mehr internationale Prominenz in Kreuzberg ein, die sich gerne auch an den schwierigeren Teilen des Terrains erproben.
So waren anno 91 die mehrmaligen Weltmeister Foyot und Margeaux zu Gast, die das riesige internationale Pfingstturnier in Kreuzberg zwar knapp nicht gewannen, aber mit ihren dutzendweisen Carreaux gegen andere starke Franzosen doch immerhin dem Publikum imponierten und dem Gelände am Paul-Lincke-Ufer noch mehr dauerhafte Zaungäste und auch Mitspieler zuführten.
Und wer einmal, und sei es auch nur an einem trüben kühlen Nachmittag, dem eifrigen und konzentrierten Kugelgewerfe der immer oder meist ambitionierten Spieler am Kanal zugeschaut hat, der mag es nimmer mehr missen oder eintauschen wollen gegen ein Entenfüttern, das ökologisch auch erheblich bedenklicher ist als z.B. das Ausgeben eines Bieres an einen guten Schießer oder Leger.  
Autor: Gerd "Gips" Lawitzky.
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